Der Guide zur Kriechphase: Rollen, Drehen & Kriechen
Ein Artikel von Laura Mittet, Kinderphysiotherapeutin

Im ersten Lebensjahr macht Ihr Baby eine erstaunliche motorische Entwicklung durch – von dem hilflosen Liegen auf dem Rücken als Neugeborenes bis hin zum Rollen auf den Bauch, Kriechen, Krabbeln und schließlich Laufen.

In diesem Artikel geht es um die Phase, in der Ihr Baby entdeckt, dass es seinen Körper steuern und sich fortbewegen kann. Wir zeigen, was nötig ist, damit Ihr Baby erste Fortbewegungsversuche machen kann – und wie Sie es dabei mit Spiel, Nähe und einer sicheren, anregenden Umgebung unterstützen können.

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Vom Liegen zur Bewegung

In den Monaten nach der Liegephase entdeckt Ihr Baby nach und nach neue Möglichkeiten der Bewegung. Sobald es genug Kraft und Kontrolle in der Nacken- und Rumpfmuskulatur aufgebaut hat und die Muskeln an Vorder- und Rückseite des Körpers gut zusammenarbeiten, lernt es, sich vom Rücken auf den Bauch zu rollen – die erste Erfahrung, die Körperposition selbstständig zu verändern – ein Meilenstein ist geschafft!

Anschließend lernt Ihr Baby oft, sich zu drehen – also sich im Kreis zu bewegen, während es auf dem Bauch liegt. Diese Bewegung nennt man Pivotieren. Sie ist bedeutsam, weil Ihr Baby hier beginnt, die ersten Überkreuz-Bewegungen zu üben (zum Beispiel arbeitet der rechte Arm mit dem linken Bein zusammen). Diese Bewegungen sind später die Grundlage für das Kriechen und Krabbeln.

Beim Rollen und Drehen trainiert Ihr Baby Gleichgewicht, Körperwahrnehmung und Raumverständnis und stärkt zugleich die Rumpfmuskulatur – alles Fähigkeiten, die für die weitere motorische Entwicklung entscheidend sind. Rollen und Drehen auf beide Seiten sind somit Voraussetzungen, um sich bald vorwärts bewegen zu können.

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Die erste Vorwärtsbewegung

Wenn Ihr Baby beginnt zu kriechen/robben, erlebt es zum ersten Mal echte Fortbewegung.

Das Kriechen erfordert, dass Arme und Beine über Kreuz zusammenarbeiten – also eine Koordination zwischen der linken und rechten Gehirnhälfte.

Diese Überkreuz-Bewegungen sind eine wichtige Grundlage für das spätere Krabbeln auf allen Vieren. Während Ihr Baby kriecht und den ganzen Körper einsetzt, stärkt es Schultern, Hüften, Bauch und Rücken.

Und vor allem: Das Kriechen schenkt Ihrem Baby ein neues Gefühl von Freiheit, selbstständig die Umgebung zu entdecken.

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Raum für Bewegung Schaffen

Wenn Ihr Baby anfängt zu robben und zu kriechen, öffnet sich eine völlig neue Welt. Plötzlich kann es sich eigenständig bewegen und alles erkunden – was für ein Abenteuer!

Wie, wo und wie viel sich Ihr Baby bewegt, hängt stark von den Rahmenbedingungen ab, die Sie schaffen. Der vorhandene Platz, der Untergrund, das Spielzeug und die sinnlichen Eindrücke in der Umgebung beeinflussen, wie motiviert Ihr Baby ist, sich zu rollen, zu drehen und zu kriechen.

Eine sichere und anregende Spielumgebung

Damit Ihr Baby das Beste aus der Kriechphase mitnimmt, braucht es viel Zeit auf dem Boden und genug Platz:

  • Entfernen Sie kleine Gegenstände vom Boden, damit Ihr Baby sicher und frei erkunden kann.
  • Wechseln Sie regelmäßig den Untergrund – mal Wohnzimmerboden, mal Teppich, Matratze oder draußen auf dem Gras.
  • Platzieren Sie Spielzeug an verschiedenen Stellen im Raum – am besten knapp außerhalb der Reichweite –, um die Bewegung zu fördern.
  • Legen Sie sich vor oder neben Ihr Baby – Ihre Nähe schafft Geborgenheit, stärkt Ihre Bindung und motiviert zur Bewegung.
  • Versuchen Sie, die Zeit zu begrenzen, in der Ihr Baby passiv sitzt (z. B. im Hochstuhl, Autositz oder Kinderwagen), damit es genügend natürliche Bewegungserfahrungen sammeln kann.

Unterschiedliche Untergründe – neue Erfahrungen

Ihr Baby lernt viel, wenn es verschiedene Untergründe spürt.
Auf einer weichen Unterlage, wie einer Matratze, erfährt es, dass Hinfallen nicht wehtut – das macht mutig, neue Bewegungen auszuprobieren.

Auf glatten Böden ist die Herausforderung größer – hier helfen nackte Arme und Beine, um mehr Reibung zu erzeugen, was das Abstoßen erleichtert.

Der Wechsel zwischen unterschiedlichen Untergründen bietet neue Sinneserfahrungen und motiviert Ihr Baby, den Körper auf vielfältige Weise einzusetzen.

Spielzeug als Bewegungsmotivation

Spielzeug ist oft ein starker Anreiz in der Kriechphase. Wählen Sie Gegenstände, die zum Greifen, Rollen oder Nachverfolgen einladen – etwa Rasseln, Bälle, Stapelspielzeug oder bewegliche Spielzeuge mit Geräuschen.

Legen Sie das Spielzeug leicht außer Reichweite, um Ihr Baby zu motivieren, sich zu rollen, zu drehen oder vorwärtszukriechen.

Die Rolle der Sinne

Wie schon in der Liegephase spielen auch in der Kriechphase die drei Hauptsinne – Tastsinn, Gleichgewichtssinn und Körperwahrnehmung (Propriozeption) – eine entscheidende Rolle.
Über diese Sinne sammelt Ihr Baby Informationen über seinen Körper und die Umgebung und lernt, Bewegungen besser zu planen und auszuführen.

Tastsinn

Dieser vermittelt Ihrem Baby ein Gefühl für den Untergrund. Wechseln Sie zwischen Teppich, Matratze, Boden oder Gras und lassen Sie Ihr Baby sowohl mit als auch ohne Kleidung spielen, um verschiedene Sinneserfahrungen zu ermöglichen.

Gleichgewichtssinn

Er hilft Ihrem Baby, sich beim Drehen oder Kriechen zu orientieren.

Sie können diesen Sinn anregen, indem Sie Ihr Baby mit den Augen einem Ball folgen lassen, es sanft in einer Decke oder Schaukel hin- und herschwingen oder es auf einem Laken durch das Zimmer ziehen.

Propriozeptiver Sinn

Er vermittelt Ihrem Baby das Gefühl für den eigenen Körper – wo er sich befindet und wie er sich bewegt.

Spielen Sie in Bauchlage, bei der Ihr Baby abwechselnd mit einer Hand nach einem Gegenstand greift, oder schieben Sie leicht gegen die Schulter, damit es das Gewicht von einer Seite auf die andere verlagert.

Sie können auch den Beinen helfen, indem Sie einen Zeh auf den Boden setzen, eine Hand unter die Fußsohle legen und Ihr Baby dagegen drücken lassen – so spürt es Widerstand und findet leichter nach vorn.

Wenn das Kriechen nicht symmetrisch ist

Anfangs sind die Kriechbewegungen oft asymmetrisch – zum Beispiel, wenn Ihr Baby sich vorwiegend mit einem Bein abstößt. Meist findet es nach wenigen Tagen heraus, wie es beide Seiten gleichmäßig nutzen kann.

Wenn das Muster jedoch sehr einseitig ist, kann das daran liegen, dass eine Seite stärker oder aktiver ist. Dann können Sie die schwächere Seite sanft stimulieren – mit Berührung, leichten Druckbewegungen, Streicheln oder sanfter Massage –, um Ihr Baby auf diese Seite aufmerksam zu machen.

Die Phase, in der Ihr Baby lernt, sich vom Rücken auf den Bauch zu rollen, sich zu drehen und zu kriechen, ist ein wichtiger Übergang – der Beginn selbstständiger Bewegung von einem Ort zum anderen.

Beim Rollen, Drehen und Kriechen stärkt Ihr Baby Koordination, Gleichgewicht und Muskelkontrolle und sammelt neue Erfahrungen mit Raum und Bewegung.

Sie können diesen Prozess unterstützen, indem Sie Zeit, Raum und eine anregende Umgebung bieten, die Ihr Baby motiviert, sich zu bewegen und Neues zu entdecken. So bereiten Sie es optimal auf den nächsten Entwicklungsschritt vor – das Krabbeln.

Laura Mittet | Motorikland

Laura Mittet (34) ist Mutter von drei Töchtern, Kinderphysiotherapeutin und hat einen Master in Pädagogischer Psychologie. Sie verfügt über langjährige Erfahrung mit Kindern – sowohl in Ihrer eigenen Praxis als auch in der Kinderpsychiatrie.

Seit 2022 ist sie Teil von „Rødovre Fysioterapi“ und „Sundhedshus“ sowie Mitbegründerin von „Motorikland“ – einem Angebot für Babys, Kinder, Schwangere und Eltern in der Zeit nach der Geburt. Dort werden Physiotherapie, Gruppenkurse und Workshops rund um Bewegung, Spiel, Nähe und fachliche Sicherheit angeboten.