Der Guide zur Liegephase: Sinne, Bewegung und Nähe
Ein Artikel von Laura Mittet, Kinderphysiotherapeutin

Im ersten Lebensjahr durchläuft Ihr Kind eine große motorische Entwicklung – vom hilflosen Liegen auf dem Rücken als Neugeborenes bis hin zum Drehen auf den Bauch, Robben, Krabbeln und schließlich Laufen.

In diesem Artikel richten wir den Fokus auf die Entwicklung in den ersten Lebensmonaten und darauf, wie Sie als Elternteil die motorische Entwicklung Ihres Kindes durch alltägliches Spielen, Nähe und Aktivitäten und mit viel Liebe unterstützen können.

Media grid image

Den eigenen kleinen Körper kennenlernen

Das neugeborene Kind hat weder Körperkontrolle noch Erfahrung damit, sich außerhalb der Gebärmutter zu bewegen. In den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt sind die Bewegungen Ihres Babys deshalb zufällig und unkoordiniert. Mit jeder Woche werden diese jedoch zunehmend willkürlicher, koordinierter und fließender.

Dies geschieht parallel dazu, dass das Kind seinen Körper kennenlernt, Erfahrungen mit Bewegungen sammelt und sich allmählich seiner Umgebung bewusster wird.

Motorische Entwicklung durch Meilensteine

Die motorische Entwicklung eines Kindes erfolgt in sogenannten motorischen Meilensteinen, bei denen es Schritt für Schritt neue Fähigkeiten durch wiederholte Sinnes- und Bewegungserfahrungen erwirbt.

Als Beispiel: Wird ein Baby auf den Bauch gelegt, kann es anfangs nur den Kopf leicht anheben und von einer Seite zur anderen drehen. Mit zunehmender Bauchlage und wachsender Kraft sowie Balance kann es nach einigen Monaten stabil auf den Unterarmen liegen und den Kopf frei bewegen.

Mit etwa 5–6 Monaten kann es sich schließlich auf die gestreckten Arme stützen und den Bauch vom Untergrund anheben.

Die Sinne als Grundlage der Bewegung

Die motorische Entwicklung Ihres Kindes geschieht im Zusammenspiel mit den Sinnen. Der Mensch hat insgesamt sieben Sinne: Geschmacks-, Geruchs-, Hör-, Seh-, Tast-, Muskel/Gelenk- und Gleichgewichtssinn.Die drei zuletzt genannten werden auch primäre Sinne genannt, da sie die Grundlage für Bewegung und den Erwerb unserer motorischer Fähigkeiten bilden.

Die 3 primären Sinne

Der Tastsinn

Registriert Berührungen, Temperatur und Strukturen.

Der Muskel-Gelenk-Sinn (Propriozeption)

Gibt ein Gefühl für die Körperposition und Bewegungen.

Der Gleichgewichtssinn (Vestibulärsinn):

Hilft, Balance zu halten und sich im Raum zu orientieren.

Der Tastsinn

Der Tastsinn hilft Ihrem Baby, Berührungen, Druck, Kälte, Wärme, Schmerz und Oberflächen zu spüren. Dadurch entwickelt es ein Körperbewusstsein sowie die Fähigkeit, zwischen unterschiedlichen Materialien, Texturen und Formen zu unterscheiden. Zur Förderung des Tastsinns Ihres Babys können Sie:

  • Ihr Baby am ganzen Körper streicheln, küssen und liebkosen – gerne auch ohne Kleidung.
  • Hände und Füße mit Igelbällen, Pinseln oder weichen Tüchern massieren.
  • Ihrem Kind Spielzeug mit verschiedenen Oberflächen und Strukturen ertasten und erforschen lassen.

Der Muskel-Gelenk-Sinn (Propriozeption)

Der Muskel-Gelenk-Sinn vermittelt Ihrem Kind, wo sich die einzelnen Körperteile befinden und wie sie sich zueinander bewegen. Dadurch lernt es, Kraft und Präzision zu regulieren sowie Bewegungen zu koordinieren. Zur Stimulation können Sie:

  • Ihrem Baby verschiedene Gegenstände oder Ihre Finger zum Greifen anbieten.
  • Arme und Beine des Kindes bewegen, z. B. „Fahrradbewegungen“ machen oder die Arme vor dem Körper kreuzen und dann wieder zur Seite führen.
  • Sanften Druck gegen die Fußsohlen ausüben (in Rücken- oder Bauchlage).

Der Gleichgewichtssinn (Vestibulärsinn)

Der Gleichgewichtssinn registriert Kopfpositionen und Bewegungen im Verhältnis zur Schwerkraft. Durch ihn entwickelt Ihr Kind ein Gefühl für Raum, Richtung, Bewegungstempo und die Fähigkeit, das Gleichgewicht zu halten. Die Balance Ihres Babys wird gefördert, wenn Sie:

  • Es in Bauchlage auf Ihre Brust oder auf eine weiche Unterlage legen.
  • Es sanft wiegen, schaukeln oder drehen.
  • Es von einer Seite zur anderen rollen lässt – ggf. auch ganz von Rücken- auf Bauchlage und zurück.
  • Es ganz kurz und sanft kopfüber halten.

Ihr Baby nutzt also seine Sinne, um Informationen über den eigenen Körper und die Umwelt zu sammeln – Informationen, die es benötigt, um Bewegungen anzupassen und zu steuern, etwa beim Greifen nach Spielzeug oder beim Halten des Gleichgewichts.

Die motorische Entwicklung durch gute Spielgewohnheiten fördern

Für Babys ist Spiel ein wichtiger Teil der motorischen Entwicklung. Als Eltern können Sie durch Spiele und Aktivitäten dazu beitragen, dass Ihr Kind neue Bewegungen und motorische Fähigkeiten erlernt.

Viele Spiele stimulieren gleich mehrere Sinne gleichzeitig. Wenn Sie Ihr Baby z. B. auf den Bauch auf eine weiche Unterlage legen und Spielzeug vor ihm platzieren, das es greifen kann, werden alle primären Sinne zeitgleich gefördert.

Auch im Alltag entsteht Sinnesstimulation ganz natürlich: wenn Ihr Kind Ihre Stimme hört und den Kopf zu Ihnen dreht, wenn es Ihre Hand umklammert oder wenn Sie es im Arm wiegen, um es zu beruhigen.

Hier ein paar Tipps, wie Sie als Elternteil gute und anregende Spielgewohnheiten im Alltag schaffen können:

Die Sinnes-Routinen im Alltag

Bauen Sie kleine motorische und sinnliche Spiele in die täglichen Routinen ein, etwa beim Wickeln. Das können einfache Übungen sein, wie einem Gegenstand mit den Augen folgen lassen, verschiedene Spielzeugen greifen oder Ihr Baby sanft von einer Seite auf die andere rollen.

Wichtig ist: Spiel und Nähe sollen Freude bereiten – es darf keine Pflicht sein. Auch wenn Bewegungs- und Sinnesanregungen förderlich sind, steht das gemeinsame Wohlbefinden im Vordergrund. Achten Sie daher auf die Signale Ihres Babys und laden Sie es zum Spielen ein, wenn es zufrieden und aufmerksam ist.

Wenn Ihr Baby hungrig oder müde ist - oder vielleicht sogar zahnt - ist es kein guter Zeitpunkt zum Spielen. Gönnen Sie Ihrem Kind eine Pause.

So schaffen Sie gute Rahmenbedingungen fürs Spielen

Spielzeug:
Achten Sie beim Kauf auf deutliche Farbkontraste, verschiedene Oberflächen/ Texturen und gerne auch Geräusche bei Bewegungen – das weckt Aufmerksamkeit und motiviert Ihr Kind, zu greifen, zu fühlen und Neues zu entdecken.

Umgebung:
Platzieren Sie das Spielzeug in Reichweite, sodass Ihr Kind es leicht sehen, greifen und festhalten kann. Wenn die Bewegungen koordinierter werden, lohnt es sich, das Spielzeug regelmäßig zu versetzen, um weitere Bewegungen zu fördern.

Eine gute Mischung aus vertrauten Elementen und kleinen Veränderungen im Spielumfeld schafft zugleich Sicherheit und Neugier.

Als Beispiel: Legen Sie Ihr Baby an verschiedenen Orten z. B. im Babynest/ Lift oder tauschen Sie das Spielzeug am Aktivitätsbogen alle paar Tage aus.

Die Liegephase ist ein entscheidendes Fundament für die motorische Entwicklung. In Rücken- oder Bauchlage sammelt Ihr Kind wichtige Körpererfahrungen, stärkt Muskeln und stimuliert die Sinne – all das bildet die Basis für Rollen, Robben, Krabbeln und Gehen.

Als Eltern spielen Sie eine zentrale Rolle, indem Sie diese Entwicklung durch Nähe, Spiel und kleine Alltagsaktivitäten unterstützen. So geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, zu erforschen, zu fühlen und sich zu bewegen – und Sie helfen ihm, ein stabiles Fundament für die weitere motorische und sensorische Entwicklung zu schaffen.

Laura Mittet | Motorikland

Laura Mittet (34) ist Mutter von drei Töchtern, Kinderphysiotherapeutin und hat einen Master in Pädagogischer Psychologie. Sie verfügt über langjährige Erfahrung mit Kindern – sowohl in Ihrer eigenen Praxis als auch in der Kinderpsychiatrie.

Seit 2022 ist sie Teil von „Rødovre Fysioterapi“ und „Sundhedshus“ sowie Mitbegründerin von „Motorikland“ – einem Angebot für Babys, Kinder, Schwangere und Eltern in der Zeit nach der Geburt. Dort werden Physiotherapie, Gruppenkurse und Workshops rund um Bewegung, Spiel, Nähe und fachliche Sicherheit angeboten.